Die Schuldner- und Insolvenzberatung sei ein wichtiger Baustein moderner Sozialpolitik und zugleich ein zentrales Instrument der Armutsprävention und -bekämpfung, so Schweitzer. Umso wichtiger sei eine auf den Einzelfall bezogene soziale Schuldnerberatung, die die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen sichert, aber auch die Folgekosten wie etwa drohende Obdachlosigkeit oder Straffälligkeit vermeidet, betonte Schweitzer. Menschen in persönlichen Notlagen erhielten bei den Beratungsstellen eine qualitativ hochwertige Beratung, die über rein finanzielle Themen hinausgehe. „Oft werden auch rechtliche Fragen thematisiert oder eine psychosoziale und lebenspraktische Betreuung geleistet“, so der Minister.
Von der Gefahr der Überschuldung sind breite Bevölkerungsschichten betroffen. Allein in Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2022 rund 22.500 Personen in Schuldnerberatungsstellen beraten (2021: 21.720). Mit einer Überschuldungsquote von 8,36 Prozent im Schuldneratlas 2023 der Creditreform liegt Rheinland-Pfalz im Mittelfeld der Bundesländer. Das entspricht etwa 290.000 verschuldeten Menschen. Knapp 3.000 Personen mussten in 2022 in Rheinland-Pfalz ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnen.
Detlef Placzek, Präsident des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, verwies auf die wachsende Nachfrage nach den Angeboten der Schuldnerberatung: „Längst sind es nicht mehr nur Menschen mit Sozialleistungsbezug, die die Beratung in Anspruch nehmen“, betonte er im Rahmen der Fachtagung. „Mittlerweile erreichen die Krisen auch weitere Personengruppen, für die das Thema ‚Schuldnerberatung‘ bisher keine Rolle gespielt hat. Diese ‚neuen Armen‘ sind nunmehr Erwerbstätige, ehemals Selbstständige oder auch Rentnerinnen und Rentner, die aufgrund ihrer finanziellen Situation immer mehr in den Fokus der Beratung rücken. Der potentielle Personenkreis für die Schuldnerberatung wächst.“
In Rheinland-Pfalz sind 63 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen als geeignete Stellen in Verbraucherinsolvenzverfahren durch das Land anerkannt. Dazu zählen auch Fachstellen der Schuldnerberatung in der Suchtkrankenhilfe. Insgesamt 53 Beratungsstellen mit aktuell rund 82 Vollzeitstellen werden aus Landesmitteln gefördert. Das Land stellt dafür im Jahr 2023 rund 2,3 Millionen Euro bereit. Im Rahmen der zweiten Auflage des Landessonderprogramms ‚Energiekrise begegnen – Strukturen der Schuldner- und Insolvenzberatung stärken‘ können Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Rheinland-Pfalz im Winter 2023/2024 erneut eine Förderung für zusätzliche Beratungs- und Informationsangebote erhalten, um armutsgefährdeten Menschen konkrete Hilfestellung und Anleitung im Umgang mit den nach wie vor hohen Energiekosten an die Hand zu geben.
Unter dem Motto „Multiple Krisen – Neue Arme. Was bedeutet das für die Schuldnerberatung?“ beschäftigten sich die Beraterinnen und Berater der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen im Rahmen der Fachtagung gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis mit der Frage, wie sich diese auf Menschen in finanziellen Notlagen auswirken und welche Herausforderungen damit für die soziale Schuldnerberatung in der Beratungspraxis verbunden sind. Der Fachtag wurde veranstaltet durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung (MASTD), das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV), das Schuldnerfachberatungszentrum (SFZ) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz.