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„Pflege ganz aktiv“: Modellprojekt im Westerwald geht neue Wege in der ambulanten Pflege

Mit mehr als 200.000 Menschen mit Unterstützungsbedarf, die in den eigenen vier Wänden gepflegt werden, ist die ambulante Pflege eine zentrale Säule der pflegerischen Versorgung in Rheinland-Pfalz. Wie sich ambulante Pflege im Sinne der pflegebedürftigen Menschen und der Pflegekräfte verändert, wenn Pflegekräfte mehr Freiheiten für eine ganzheitliche Pflege erhalten, wird aktuell im Rahmen des Modellprojekts „Pflege ganz aktiv“ im Westerwald erprobt.

Das Projekt wird umgesetzt durch den Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn in Kooperation mit den Kranken- und Pflegekassen unter der Federführung der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. Das rheinland-pfälzische Sozialministerium und das Gesundheitsministerium begleiten das Projekt. Nach einem Jahr haben die Partnerinnen und Partner nun eine positive Zwischenbilanz gezogen.

Im Modellprojekt „Pflege ganz aktiv“ wird darauf verzichtet, die Pflegeleistung des ambulanten Pflegedienstes, der Caritas-Sozialstation Westerburg-Rennerod, nach kleinteiligen Einzelleistungen zu berechnen. Vergütet wird stattdessen die eingebrachte Pflegezeit sowie nach Vergütungspauschalen. Mit dem Abrechnungssystem verändert sich auch der Blick auf die pflegebedürftigen Menschen: Statt sich an einem vorgegebenen Aufgabenkatalog zu orientieren, nehmen die Pflegekräfte die ihnen anvertrauten Menschen ganzheitlich wahr und konzentrieren sich auf die Unterstützung, die für die Pflegebedürftigen am jeweiligen Tag am wichtigsten ist. Dabei werden auch die Angehörigen und das Umfeld einbezogen. Im Sinne des Modelltitels „Pflege ganz aktiv“ werden auf diese Weise nicht nur die pflegebedürftigen Menschen selbst aktiviert, sondern darüber hinaus auch Ressourcen mobilisiert, die bisher nicht genutzt wurden.

„Die allermeisten Menschen wünschen sich, in ihrer gewohnten Umgebung alt zu werden, gut versorgt und im Kreise von Freunden und Familie. Bereits heute werden 80 Prozent der Pflegebedürftigen in Rheinland-Pfalz auf eigenen Wunsch häuslich versorgt. Wer die Pflege insgesamt stärken möchte, muss daher die häusliche Pflege stärken. Innovative Modellprojekte wie ‚Pflege ganz aktiv‘, die den pflegebedürftigen Menschen in den Mittelpunkt stellen, liefern hier wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse, wie dies angesichts einer älter werdenden Gesellschaft gelingen kann“, erklärte Sozialminister Alexander Schweitzer.

„Die durchweg positiven Rückmeldungen – sowohl von den zu Pflegenden als auch dem Pflegepersonal – zeigen, dass es sich es sich stets lohnt, neue Wege in der Versorgung miteinander auszuprobieren. Innovative Bausteine werden bei ‚Pflege ganz aktiv‘ passgenau und für alle Beteiligten gewinnbringend zusammengesetzt. Ein toller Erfolg. Wir sind gespannt, welche Erkenntnisse im Rahmen des Versorgungsmodells zukünftig noch gewonnen werden können“, sagte Dr. Martina Niemeyer, Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland – Die Gesundheitskasse.

Im Modellprojekt arbeiten die Pflegekräfte als selbstorganisierte Teams, es gelten flache Hierarchien. Dieses Organisationsprinzip folgt dem in den Niederlanden verbreiteten und dort sehr erfolgreich praktiziertem Modell „Buurtzorg“ (Nachbarschaftspflege). Auf die neue Rollenverteilung stellen sich die Pflegekräfte nach und nach um.

„Dass diese Arbeitsweise, situativ orientiert an der eigenen fachlichen Kompetenz und individuell an den Wünschen der Menschen, von uns gründlich vorbereitet und intensiv begleitet wurde, dürfte einer der wichtigen Erfolgsfaktoren sein“, sagte Caritas-Vorständin Stefanie Krones, die das erprobte Modell „Pflege ganz aktiv“ nach dem Vorbild aus den Niederlanden maßgeblich konzipiert hat.

In das Modellprojekt, das im Juli 2022 startete und zunächst bis Juli 2024 läuft, sind derzeit rund 40 Pflegekräfte und etwa ebenso viele pflegebedürftige Menschen einbezogen. Laut einer Befragung des Medizinischen Dienst Rheinland-Pfalz können sich 80 Prozent der Befragten eine Rückkehr zur bisherigen Versorgung nicht mehr vorstellen. Auch die befragten Pflegekräfte sehen deutliche Vorteile.

„Gerade auch im ländlichen Raum müssen wir neue Wege finden, um der demografischen Entwicklung zu begegnen, um den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen gerecht zu werden. Das bedeutet vor allem, Selbstständigkeit zu erhalten und einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Daher unterstützen die Ersatzkassen in Rheinland-Pfalz das innovative Versorgungsmodell mit dem Ziel, die pflegerische Versorgung weiter zu verbessern und zukunftsfest zu machen“, erklärte Martin Schneider, Leiter der vdek-Landesvertretung Rheinland-Pfalz.

Die Beteiligten sind sich daher einig, dass das Modellprojekt fortgeführt werden soll. Um noch mehr Erfahrungen zu gewinnen, sollen sukzessive weitere Pflegedienste einbezogen werden. Gleichzeitig sollen die Ergebnisse noch vertiefter evaluiert werden.

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