Statt das Frühjahr ausschließlich dafür zu nutzen, sich erst einmal öffentlichkeitswirksam im Rahmen der Pflege-Dialoge bei Expertinnen und Experten über den offenkundigen Reformbedarf zu erkundigen, hätten Bahr und sein Vorgänger im Amt, Philipp Rösler, besser bereits koalitionsintern über die Reform beraten sollen. „Jetzt ist eine zunehmende Zahl von Stimmen in der Koalition mit völlig unterschiedlichen Reformüberlegungen wahrzunehmen. Aber mehr Klarheit, wohin die Reise gehen soll, gibt es nicht“, so die Ministerin.
Noch Bahrs Vorgänger Philipp Rösler hatte 2011 zum Jahr der Pflege ausgerufen. „Die Bundesregierung hat es geschafft, die geringen Erwartungen an diese Ankündigung noch zu unterbieten“, erklärte Malu Dreyer. In der Presse habe Bahr auf unterschiedliche Ansätze in der Union verwiesen, die eine Einigung auf Eckpunkte verhinderten. „Gegenseitige Schuldzuweisungen innerhalb der Koalition helfen den pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen jedoch nicht weiter. Untätigkeit ist das Letzte, was wir in der Pflege brauchen“, kritisierte Dreyer.
Die A-Länder haben bereits konkrete Vorschläge für eine Pflegereform erarbeitet und werden sie in die diesjährige Arbeits- und Sozialministerkonferenz einbringen. Ein Kernelement ist die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff erfasst Einschränkungen der Selbständigkeit sowie der Alltagskompetenz und führt zu mehr Gerechtigkeit insbesondere für Menschen mit Demenz. „Die Forderung Bahrs nach einer baldigen Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs begrüße ich ausdrücklich und hoffe, er kann sich in der Koalition damit durchsetzen“, sagte die Ministerin. Ein besonderes Anliegen ist ihr auch die Stärkung der häuslichen Pflege und die Entlastung pflegender Angehöriger. „Wir brauchen Angebote der Tagesbetreuung, die flexiblere Verwendung von ambulanten Sachleistungen und die Erweiterung des Anspruchs auf Verhinderungs- und Kurzzeitpflege. Wir brauchen ein umfassendes sozialräumliches System, um die Ressourcen von Familien, Nachbarschaften und Ehrenamt zu stärken und mit professionellen Angeboten zu verknüpfen“, forderte Malu Dreyer.