Ergebnis des Modellversuchs „Patientenquittung“: In der Praxis umsetzbar

Gemeinsame Erklärung der Projektträger des Modellversuchs „Kosten- und Leistungstransparenz“ vom 14. Mai 2003

Ein nennenswerter Anteil der Patienten wünscht Transparenz über das Leistungsgeschehen in der Arztpraxis. Im rheinland-pfälzischen Modellversuch“ Patientenquittung“ hatten Patienten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen die Möglichkeit, ein neues Serviceangebot zu erproben. Vom 01. April 2002 bis 30. März 2003 konnten interessierte Patientinnen und Patienten in teilnehmenden Arztpraxen einen Beleg über die vom Arzt für sie erbrachten Leistungen und deren Kosten abfordern. Die beachtliche Inanspruchnahme und die positive Beurteilung des Angebots durch die Patienten spricht nach Ansicht der Projektträger für eine breite Einführung einer Patientenquittung als Angebot an die gesetzlich Versicherten.

Im Mittel fragten rund 15% der Patienten eine Quittung in der Arztpraxis nach. Damit betrug die Inanspruchnahme im Modellversuch „Patientenquittung“ mehr als das Zehnfache bisheriger Transparenzversuche. Durch die Ausgabe einer Patientenquittung durch den behandelnden Arzt konnte die zeitliche Nähe der Information zum Behandlungsgeschehen und deren Verständlichkeit wesentlich verbessert werden.


Modellversuch “Patientenquittung“
Träger des Modellversuchs „Patientenquittung“ waren die Kassenärztliche Vereinigung Rheinhessen, die Krankenkassen in Rheinland-Pfalz, das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung.

Der Modellversuch sollte Praktikabilität und Akzeptanz einer in der Arztpraxis ausgegebenen Patientenquittung erproben. Teilnehmen konnten Arztpraxen, deren Praxissoftware die Belegerstellung unterstützte. Insgesamt beteiligten sich 67 Arztpraxen. In 21 Arztpraxen wurde der Beleg den interessierten Patienten unmittelbar im Anschluss an den Arztkontakt übergeben (Tagesquittung). In 46 Arztpraxen erhielten die Versicherten auf Wunsch den Leistungs- und Kostenüberblick am Quartalsende per Post (Quartalsquittung).

Zu Beginn und gegen Ende des Modellversuchs führte das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung Befragungen der teilnehmenden Patienten und Ärzte durch.


Ergebnisse im Einzelnen
Praktikabilität
Der Modellversuch bestätigt insgesamt die Praktikabilität der Quittungserstellung. Aus Sicht der Patienten war das angebotene Produkt gut verständlich. Nur drei bis vier Prozent der Befragten gaben Probleme mit der Verständlichkeit an. Rund 18% hatten jedoch Verbesserungsvorschläge, dies waren vor allem ältere Patienten (über 59 Jahre).

Geeignete Softwareunterstützung vorausgesetzt, benötigten die Praxen für die Erstellung einer Tagesquittung durchschnittlich 4 Minuten, für eine Quartalsquittung im Mittel 5 Minuten. Hinzu tritt ein Zeitbedarf für Erläuterungen der Quittungen. Dieser betrug zu Beginn durchschnittlich 99 Min. im Quartal bei Tagesquittungen (73 Min. bei Quartalsquittungen) und reduzierte sich im Zeitablauf des Versuchs um etwa ein Drittel. Die Erstellung der Quittung muss insbesondere bei der Tagesquittung in den Praxisablauf eingegliedert werden. Diese Voraussetzungen schufen die beteiligten Arztpraxen nach anfänglich vereinzelten technischen Schwierigkeiten. Die im Modellversuch vorgesehene Vergütung der Serviceleistung sahen 66% (Quartalsquittung) bzw. 48% (Tagesquittung) als nicht kostendeckend an.


Akzeptanz
Im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung rechnet der Arzt über die Kassenärztliche Vereinigung mit den Krankenkassen ab; die Versicherten entrichten keinen Kostenbeitrag zur ärztlichen Behandlung. Die Patientenquittung hat somit keine rechnungsbegründende Funktion. Sie ist ein zusätzliches Serviceangebot der Arztpraxen, welches nur von interessierten Versicherten aktiv nachgefragt wird.

Die Patientenbefragung zeigt, dass Patienten, die eine Quittung nachfragten, vor allem das Behandlungsgeschehen und die Leistung ihres Arztes nachvollziehen wollten. Rund ein Drittel sah in der Quittung einen Beitrag zur Verbesserung der Beziehung zum behandelnden Arzt. Dies wurde durch die Angabe der Behandlungskosten nicht geschmälert; rund zwei Drittel der Patienten zeigten sich vielmehr überrascht über die eher niedrigen Preise ärztlicher Leistungen. Die Patientenbefragung gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Patienten sich durch die Kenntnis der Kosten zu Änderungen ihres Inanspruchnahmeverhaltens veranlasst sehen.

Die positive Beurteilung der Patienten spiegelt sich insbesondere zu Beginn des Versuchs in den Befragungsergebnissen der teilnehmenden Ärzte. Aus Sicht der Ärzte erhöht die Quittung vor allem die Möglichkeit der sachlichen Beurteilung des Leistungsgeschehens durch den Patienten. Einige Ärzte sahen auch Möglichkeiten, die Rückfragen der Patienten zur Förderung von Kostenbewusstsein und Therapietreue zu nutzen. Die Verständlichkeit der Quittung wurde insgesamt gut bewertet. Auch aus Sicht der Ärzte bewirkte die Kostenkenntnis der Patienten keine signifikante Veränderung des Nachfrageverhaltens. In einigen Fällen nahmen Ärzte allenfalls einen geringfügigen Anreiz zu vermehrter Leistungsnachfrage wahr. Das Urteil der Praxisinhaber über den Nutzen der Quittung fällt insbesondere gegen Ende des Modellversuchs verhalten aus.

Die insgesamt positiven Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund der rückläufigen Patientenbeteiligung von 22% im ersten Versuchsquartal auf 8% im vierten Versuchsquartal und der Rücklaufquote der Patientenbefragung gewichtet werden. Im Rahmen der Patientenbefragung hatten rund 3800 Quittungsempfänger mit der Quittung einen Fragebogen erhalten. Die Patientenbefragung erreichte eine Rücklaufquote von rund 14%.


Patientenquittung muss „beworben“ werden
Für die Inanspruchnahme des Serviceangebotes ist vor allem das Interesse der Versicherten und der beteiligten Ärzte an einer Transparenz der ärztlichen Leistung ausschlaggebend. Dies äußerte sich u.a. in den stark unterschiedlichen Beteiligungsraten je Arztpraxis. In beiden Versuchsgruppen (Tages- und Quartalsquittung) weist etwa ein Drittel der Praxen unterdurchschnittliche Beteiligungsraten auf, während einzelne Praxen sehr hohe Beteiligungsraten von knapp 70% über 80% erreichten.

Aufgrund der Befragungsergebnisse der teilnehmenden Arztpraxen lassen sich die starken Unterschiede in der jeweils erreichten Patientenbeteiligung auf unterschiedliche Modalitäten der Quittungsausgabe in den Praxen zurückführen. Nach allgemeiner Erfahrung führte ein passives Angebot der Quittung (Informationsaushang über den Versuch und Auslage von Flyern) zu kaum nennenswerter Inanspruchnahme. Unterschiedlich hohe Beteiligungsraten lassen sich dadurch erklären, dass ein Teil der Praxen fast jedem Patienten eine Quittung im Sinne einer „selbstverständlichen“ Information aushändigte, ein anderer Teil erfragte jeweils ausdrücklich das Patienteninteresse. Hinzu kommt die Überzeugungskraft der Praxen, und nicht zu unterschätzen sind organisatorische Bedingungen in den Praxen, die als Engpassfaktor wirken.

Die insgesamt rückläufige Beteiligungsrate der Patienten erklärt sich nach Auswertung aller Ergebnisse folglich durch
einen Sättigungseffekt der Patienten insbesondere bei Wiederholungsfällen sowie
nachlassende Motivation in den beteiligten Arztpraxen.
Wie insbesondere in Gruppendiskussionen belegt wurde, bestehen zwischen beiden Effekten wechselseitige Einflüsse.

Die Wertigkeit der Quittung für die Versicherten drückt sich u.a. auch in der Zahlungsbereitschaft der Patienten für das Serviceangebot aus: Auch unter den offenkundig motivierten Patienten (Rückläufe der Patientenbefragung) erklärten sich nur 2-3% bereit, ggf. einen begrenzten Betrag für die Serviceleistung aus eigener Tasche zu bezahlen.

Systematische Unterschiede in den Beteiligungsraten gab es zwischen Empfängern der Tagesquittung und Empfängern der Quartalsquittung. Im gesamten Beobachtungszeitraum betrug die Beteiligungsrate in der Gruppe Tagesquittung etwa das Doppelte der Beteiligungsrate in der Gruppe Quartalsquittung. Facharztpraxen sowie Versicherte von Ersatz- und Betriebskrankenkassen wiesen durchgängig etwas erhöhte Beteiligungsraten auf.


Ein sinnvolles Angebot für Interessierte
In der Summe lassen sich die Ergebnisse des Modellversuchs so verstehen, dass die Einführung der Patientenquittung als Angebot niedergelassener Ärzte an interessierte Versicherte wünschenswert ist. Die Patientenquittung kann zur Transparenz des Leistungs- und Abrechnungsgeschehens beitragen.

Teilen

Zurück