Bürger erarbeiten Vorschläge für Gestaltung des Demographischen Wandels

Lebendige Demokratie

Nr. 048-4/04

Das Zusammenleben der Generationen steht vor neuen Herausforderungen. Das ist eine Folge der Alterung der Gesellschaft, aber auch des Wertewandels und des Rückgangs traditioneller Familienstrukturen. Wie bewerten Bürgerinnen und Bürger die derzeitigen Formen des gesellschaftlichen Miteinanders der Generationen beispielsweise in den Lebensbereichen „Arbeit“, „Wohnen“, „Soziale Beziehungen“? Welche neuen Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Solidarität zwischen den Generationen sind denkbar? Wie lassen sich diese neuen Formen umsetzen und gestalten? Wie kann Politik diesen Prozess unterstützen? Zu diesen und anderen Fragen des Miteinanders der Generationen in einer älter werdenden Gesellschaft hat Sozialministerin Malu Dreyer ein Bürgergutachten in Auftrag gegeben. Gemeinsam mit Professor Peter C. Dienel von der Bergischen Universität Wuppertal, der das Verfahren der Bürgerbeteiligung in so genannten Planungszellen entwickelt hat, stellte die Ministerin das Projekt heute in Mainz vor.

Die sich abzeichnende demographische Entwicklung stelle Politik und Gesellschaft vor neue Herausforderungen, so die Ministerin. Es gelte, bereits jetzt die Weichen für eine sozial gerechte Gestaltung dieses demographischen Wandels zu stellen. „Ich kann mir dabei nichts besseres denken, als die Bürgerinnen und Bürger in diesen Prozess einzubeziehen und sie zu fragen, wie sie sich das zukünftige Miteinander der Generationen vorstellen und wünschen“, erklärte Malu Dreyer. In das Bürgergutachten flössen die Kompetenzen und die Erfahrungen der Menschen direkt ein und könnten damit für die Lösung gesellschaftlicher Probleme nutzbar gemacht werden. Dies sei vor allem auch für die notwendige Stärkung von bürgerschaftlichem und nachbarschaftlichem Engagement von besonderer Bedeutung, so die Ministerin.

Malu Dreyer: „Der besondere Charme dieses Verfahrens liegt für mich in der bunten Zusammensetzung der Planungszellen, in denen die Schülerin und der Auszubildende ebenso vertreten ist wie der Familienvater oder die Seniorin“. Dadurch kämen unterschiedlichste Erfahrungen und Sichtweisen zur Geltung, und es entstehe eine hohe Repräsentativität der Ergebnisse. Die Bürgerinnen und Bürger, so die Erfahrung aus anderen Projekten, entwickelten sich in der Auseinandersetzung mit einem Thema innerhalb kürzester Zeit zu Expertinnen und Experten und erarbeiteten kompetente und vor allem auch umsetzbare Lösungen. Das Instrument der Planungszellen berge gerade in der Auseinandersetzung mit dem Thema „Miteinander der Generationen in einer alternden Gesellschaft“ große Chancen, so die Ministerin. Erfahrungsgemäß würden in Planungszellen besonders innovative Vorschläge entwickelt. Die Ergebnisse orientierten sich am Gemeinwohl, sie seien in der Gesellschaft konsensfähig und hätten eine hohe Akzeptanz.

Das Bürgergutachten wird von der Forschungsstelle für Bürgerbeteiligung und Planungsverfahren der Bergischen Universität Wuppertal in acht Planungszellen erarbeitet. Planungszellen sind Gruppen von 25 im Zufallsverfahren ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, die für eine Woche von ihren Verpflichtungen freigestellt werden und Lösungen für ein vorgegebenes Problem erarbeiten. Als Durchführungsorte vorgesehen sind Mainz (14. bis 17. Juni 2004), Trier (21. bis 24. Juni 2004), Vallendar (28. Juni bis 1. Juli 2004) und Kusel (5. bis 8. Juli 2004). Zwei Gruppen arbeiten jeweils an einem Ort getrennt voneinander. Der Ablauf des Verfahrens ist an jedem Durchführungsort gleich. Insgesamt arbeiten die Bürgergutachterinnen und Bürgergutachter vier Werktage an dem Thema: „Miteinander der Generationen in einer älter werdenden Gesellschaft“.

In der ersten Phase werden die Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema und den Zielen des Gutachtens vertraut gemacht. Es werden die derzeitige Lebenssituation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfasst, aber auch gängige Klischees und Altersbilder genauer betrachtet. Innerhalb der vier Tage werden unterschiedlichste Referentinnen und Referenten kontrovers informieren. Es werden unter anderem die demographische Entwicklung, das Solidaritätsprinzip des Sozialstaates und verschiedene Beispielprojekte aus unterschiedlichen Regionen, auch über die Landesgrenzen hinaus, vorgestellt. Während des gesamten Verlaufs werden die Bürger und Bürgerinnen informiert; sie erarbeiten aber auch zu jedem Thema eigene Urteile und Empfehlungen. Eine der Arbeitseinheiten wird den direkten Dialog mit Politikerinnen und Politikern unterschiedlichster Parteien auf Landesebene zum Inhalt haben. In der letzten Phase des Verfahrens erarbeiten die Bürgergutachterinnen und -gutachter eigene Projektvorschläge und Empfehlungen; dies wird in einem Bürgergutachten zusammengestellt, das der Ministerin am 30. November übergeben wird.

Ziel der Beteiligung ist es, unter anderem Aufschluss darüber zu erhalten, wie sich heute Solidarität zwischen den Generationen darstellt, und ob angesichts der demographischen Entwicklung eine erhöhte Bereitschaft zur Selbsthilfe und zu sozialem Engagement besteht. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Verfahrens ist, dass Bürgerinnen und Bürger motiviert werden, alternative und innovative Modelle zu entwickeln und Vorschläge zu erarbeiten, wie die Politik diesen Prozess unterstützen kann.

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