Nr. 196-3/03
Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer hat sich heute in Mainz skeptisch gegenüber einer Umstellung lohnbezogener Krankenversicherungsbeiträge auf einheitliche Kopfpauschalen geäußert, wie dies die von der Union eingesetzte Herzog-Kommission vorgeschlagen hat. Das Ziel der Herzog-Vorschläge, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung weniger konjunkturabhängig zu gestalten sei zwar richtig, doch müsse die von der Kommission präsentierte Lösung dazu ernsthaft hinterfragt werden.
„Ein Grundpfeiler des deutschen Sozialversicherungssystems ist die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger mit hohem Einkommen mit den Geringverdienern. Wer dieses Prinzip aufgibt, bringt die Sozialversicherung insgesamt ins Wanken“, so die Ministerin. Es sei eine Illusion zu glauben, dass die bisher innerhalb der Sozialversicherung organisierte Einkommensumverteilung ohne Schwierigkeiten in das Steuersystem übertragen werden könne. „Die Kommission will zukünftig knapp 30 Milliarden Euro jährlich aus dem Steuerhaushalt als Subvention an Kleinverdiener auszahlen, ohne zu sagen, woher diese Milliardenbeträge kommen. Das ist unredlich“, erklärte Malu Dreyer.
Ein System mit einheitlichen Kopfpauschalen sei erst dann diskussionsfähig, wenn klar dargelegt werden könne, wie eine gerechte Belastungsverteilung über das Steuersystem auf Dauer sichergestellt werden kann. „Gegenwärtig ist unser Steuersystem wegen seiner Intransparenz und der unüberschaubaren Anzahl von Gestaltungsmöglichkeiten nicht geeignet, die gerechte Finanzierung der Sozialversicherungen zu übernehmen. In der jetzt präsentierten Form offenbart der Kopfprämien-Vorschlag mehr Fragen, als er Lösungen anbietet“, so die rheinland-pfälzische Sozialministerin.
Weitere Kritik übte die Ministerin am Vorhaben der Kommission, in den kommenden Jahren durch höhere Beiträge einen Kapitalstock für die gesetzliche Krankenversicherung anzusparen: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen bereits jetzt Beitragssätze, die über der Schmerzgrenze liegen. Wir haben mit dem Berliner Gesundheitskompromiss dafür gesorgt, dass die Beiträge in den kommenden Jahren sinken werden. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit, die das Grundübel der finanziellen Misere unserer Sozialversicherung ist“, so Malu Dreyer.
Es gibt nach Ansicht der Ministerin jedoch durchaus auch positive Vorschläge im Bericht der Herzog-Kommission. So plädiert auch sie dafür, neben dem Arbeitseinkommen auch Kapitaleinkünfte wie Mieten und Zinseinkommen bei der Berechnung der Beiträge heranzuziehen. „Für eine gerechte Lastenverteilung ist es wichtig, die gesamte finanzielle Leistungsfähigkeit der Haushalte in den Blick zu nehmen und diese nicht allein wie bisher am Arbeitseinkommen festzumachen. Eine breitere Beitragsbasis würde zu sinkenden Beitragssätzen führen. Über diesen Vorschlag sollten die großen Parteien sehr bald ins Gespräch kommen“, forderte die Ministerin.
Malu Dreyer: „Wir müssen bei allen Reformvorschlägen sehr genau darauf achten, dass wir nicht die Axt an die Grundpfeiler unseres Systems legen. Wenn wir die Solidarität der Jungen mit den Alten, der Gesunden mit den Kranken, der Gutverdienenden mit den Kleinverdienern heute aufgeben, werden wir diese Errungenschaft unseres Sozialstaates niemals mehr aufbauen können“.