Nr. 013-5/04
Die Arbeitsgruppe ?Heimerziehung statt Untersuchungshaft? hat ihren Abschlussbericht vorgelegt, wie Sozialministerin Malu Dreyer heute in Mainz mitteilte. Die Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, die tragischen Ereignisse im Jugendheim Mühlkopf in Rodalben im November vergangenen Jahres zu analysieren und Schlussfolgerungen für die Weiterführung der Gruppe ?Heimerziehung statt Untersuchungshaft? zu ziehen. Die Arbeitsgruppe zeige in ihrem Bericht im Rückblick auf das Geschehen Veränderungsbedarf für die Maßnahme auf. Die Ergebnisse waren auch Grundlage für ein Gespräch der Ministerin mit Expertinnen und Experten aus Jugendhilfe und Justiz. Auf der Basis der Ergebnisse und des Gespräches sowie im Anschluss an die nun anstehenden Beratungen im Rechts- und im sozialpolitischen Ausschuss werde sie gemeinsam mit Justizminister Herbert Mertin entscheiden, wie das Projekt fortgesetzt werde.
Die Arbeitsgruppe stand unter dem Vorsitz der Leiterin der Abteilung Landesjugendamt im Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Mitglieder waren Vertreterinnen und Vertreter des Sozial- und des Justizministeriums, des Landesjugendamtes, der Einrichtung Mühlkopf, der Staatsanwaltschaft, der Gerichtsbarkeit und des Strafvollzugs. Die Arbeitsgruppe hat nach Angaben der Ministerin vier zentrale Bereiche untersucht: das Aufnahmeverfahren, die Sicherheitsvorkehrungen, das pädagogische Konzept und die Beratung durch das Landesjugendamt. Dargestellt wurden für die einzelnen Untersuchungsbereiche jeweils Konzept, Praxis, Bewertung und Schlussfolgerungen.
Die Arbeitsgruppe empfiehlt, das Aufnahmeverfahren weiter zu qualifizieren und für alle Beteiligten noch transparenter zu regeln. Dabei soll der Informationsfluss zwischen allen Beteiligten verbessert werden, damit möglichst alle relevanten Informationen im Zusammenhang mit dem Jugendlichen zur Verfügung stehen und diese von der Einrichtung auch im Hinblick auf das Entwicklungspotential des Jugendlichen bewertet werden können.
Mit Blick auf die Sicherheitsvorkehrungen hat die Arbeitsgruppe zwei zentrale Schlussfolgerungen gezogen: zum einen solle der Nachtdienst - zumindest in der Anfangszeit - mit einer zweiten Nachtbereitschaft doppelt besetzt werden. Zum zweiten solle ein mobiles Notrufgerät eingerichtet werden, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch am Körper tragen können. Darüber hinaus wurden auch noch weitere organisatorische und personelle Maßnahmen besprochen.
Die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe hinsichtlich des pädagogischen Konzepts konzentrieren sich auf folgende Punkte: Mit Blick auf die Qualifizierung der Fachkräfte ist es nach Auffassung der Arbeitsgruppe wichtig, dass gerade in der Aufbauphase nur erfahrene und einschlägig qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem Projekt arbeiten. Darüber hinaus seien begleitende Qualifizierungsmaßnahmen - insbesondere intensivere Deeskalations- und Anti-Gewalt-Trainings - notwendig. Außerdem solle der Fachaustausch mit der Justiz sowie der Jugendgerichtshilfe intensiviert werden.
Für den Bereich des Landesjugendamtes stellt die Arbeitsgruppe fest, dass für die geschlossene Unterbringung eigene Mindestanforderungen zur Erteilung einer Betriebserlaubnis erarbeitet werden sollten. Darüber hinaus sollen regionale und praxisnahe Fortbildungen für die Leitungs- und Fachkräfte, die mit delinquenten Jugendlichen arbeiten, entwickelt und umgesetzt werden.
Der Bericht sei auch Basis für ein Gespräch mit Expertinnen und Experten aus Jugendhilfe, Kriminologie und Justiz gewesen, so die Ministerin. Dabei sei festgestellt worden, dass ein Angebot für Heimerziehung statt Untersuchungshaft wichtig und notwendig sei. Wie und in welcher Form das Angebot fortgeführt werde, müsse sorgfältig geprüft werden. Das vorliegende Konzept wurde in der Mehrheit als grundsätzlich tragfähig bewertet, wenn auch in der konkreten Ausgestaltung Mängel deutlich wurden. Die Vertreter der Jugendhilfe und Kriminologie betonten, dass sich die Jugendhilfe „breit aufstellen“ muss, wenn sie für delinquente Jugendliche eine wirkliche Alternative zur Untersuchungshaft darstellen will. Die Expertinnen und Experten diskutierten dazu verschiedene Vorschläge. Wichtig seien vor allem regionale Angebote, damit die Betreuung der jungen Menschen nach der Maßnahme Heimerziehung statt Untersuchungshaft sichergestellt sei. In dem Kreis der Experten gab es eine hohe Zustimmung, dass das Projekt wissenschaftlich begleitet und ausgewertet wird.
(Der Bericht der Arbeitsgruppe ist in der Pressestelle des Ministeriums unter der Telefonnummer 06131/162401 erhältlich)